Die Hauptstadt im Ukulele-Fieber - Das Berliner Ukulele Festival
Es ist der 25. Oktober und Berlin wird vom Herbst verwöhnt. Die Sonne wärmt noch sanft die Haut, buntes Laub wird herumgewirbelt und fällt raschelnd auf die Pflastersteine in der Viktoriastraße, als spielte es mit den kleinen, weißen, auf den Gehweg gesprühten Bären, die den Menschen den Weg zur ufaFabrik weisen, wo sich bereits jede Menge Besucher mit lustig geformten Koffern, Taschen und Rucksäcken ins Varieté Theater drängen. Es ist rappelvoll, nicht alle passen hinein in Saal, in dem das Eröffnungskonzert des Berliner Ukulele Festivals stattfindet. Egal! Wer draußen bleibt, holt sich ein Bier von der Bar und jammt im Vorraum des Konzertsaals mit anderen Begeisterten. Die Stimmung ist hinter und vor der Tür gleichermaßen ausgelassen – Berlin ist im Ukulele Fieber.
Das Berliner Ukulele Festival geht in die vierte Runde
Es ist das vierte Festival dieser Art in Berlin und schon der Eröffnungsabend übertrifft alle Erwartungen. Auf der Open Mic Stage gehostet von „The Ukulele Ambassador“ Diana All präsentieren sich passionierte Amateurspieler ebenso wie internationale Künstler, zum Bespiel der wundervolle Dani Usero, der von Flight Ukulele gesponsert wird, einem enthusiastischen Publikum. Es ist ein gebührender Auftakt für zwei spannende Tage, die geprägt sind von kollektiver Liebe für das kleine Viersaiteninstrument und Passion für die Aloha-verbreitende Kultur Hawaiis, der Heimat der Ukulele.
Das Berliner Ukulele Festival ist eine Institution. Seit 2016 bringt es die Ukulele-Community, eingefleischte Fans, Neugierige und Künstler, für Workshops und Konzerte in der Hauptstadt zusammen. Von morgens bis in die Nacht hinein steht alles im Zeichen der „Uke“, ein Workshop jagt den nächsten, jeder Tag wird gekrönt von Konzerten und abgeschlossen von spontanen Late Night Kanikapila Sessions (Kanikapila nennen sich spontane Jam Sessions auf Hawaii), die auch gern mal im Döner-Imbiss um die Ecke ausgetragen werden.
Die beeindruckende Vielfalt der Ukulele
Immer wieder faszinierend ist die unglaubliche Vielfalt der Themen, Workshops, Musikstile und Künstler. Wer bei der Ukulele an romantische Südseeklänge denkt, liegt ganz sicher nicht falsch – doch diese typische Assoziation greift deutlich zu kurz. Diesen Beweis tritt gleich am Samstagmorgen Frank der Kleer an. In seinem Workshop zum Thema „Latin Style“ gib der Niederländer Tipps zu Flamenco und lateinamerikanischen Rhythmen. Am Abend steht er mit seinen 13 und 15-jährigen Söhnen als Trio de Kleer auf der Bühne. Das ist nicht nur schön anzusehen, die drei „Jungs“ lassen einem auch die Kinnlade nach unten klappen, wenn sie auf ihren Instrumenten ungestüme Gyspy-Sounds erklingen lassen. Vollkommen gelassen, aber mit teuflischer Geschwindigkeit sausen ihre Hände über die Saiten und der Saal tobt.
Talente aus dem Ruhrpott – The Lucky Ukes
Ein phänomenales Erlebnis wirklich ganz anderer Art schafft Frank Gerstmeier mit seinen The Lucky Ukes. Das Dortmunder Trio ist für seinen spannenden Crossover bekannt – von irischem Folk, über südamerikanischen Bossa Nova, von Hawaiianisch bis hin zu Klassik – und ihre Show ist geprägt vom typisch trockenen, alles-nicht-so-ernstnehmenden Humor des Ruhrpotts. Wer hätte gedacht, dass ein Instrumentenwechsel derartig unterhaltsam sein kann?! Im Rahmen des Festival hatten die Besucher gleich drei Mal die Gelegenheit, die Jungs aus Dortmund zu erleben: gemeinsam mit der wunderbaren Hula-Tänzerin Angela Naima Kawahineokalani Habermann auf der Hawaii-Bühne, beim Abschluss-Konzert und bei Franks Workshop über Ludwig van Beethovens „Für Elise“ – allerdings im modernen Uke-Arrangement als „For Lissy“. Herausragend!
Wenn Musik auf Akrobatik trifft – Barada Street
Ganz sicher der Underdog des Festivals waren Barada Street. Im Vorfeld des Festivals wusste niemand so richtig, was man sich darunter vorstellen sollte: Richard, ein schlaksiger Engländer, und Juri, ein Muskelmann aus Kirgisien, verbinden waghalsige Akrobatik, charmante Idiotie und lebhafte Ukulele-Klänge. Was nach Slapstick klingt, wird auf der Bühne zu einer atemberaubenden, humorvollen und unterhaltsamen Show, die sowohl Akro-Yoga als auch das Ukulele-Spielen gleichermaßen auf ein neues Level heben. Ihre Show ist so mitreißend, dass die beiden Künstler vom gesamten Saal Standing Ovations erhielten.
Zwei Headlinerinnen führen die Künstlerriege an
Die zwei Headlinerinnen, Brittni Paiva aus Hawaii und Victoria Vox aus Wisconsin, beeindruckten nicht nur auf der Ukulele, sie führten die Festivalbesuche ganz nebenbei auch in die Geheimnisse ihrer „Loop Pedal“ ein, einer elektronischen Pedale, mit der sie die immer neuen Sounds die sie ihrer Ukulelen entlocken – von Bass bis Percussions – zu großartigen musikalischen Werken verbinden, die klingen, als stünde eine mehrköpfige Begleitband mit auf der Bühne. Victoria Vox, die als Jack and the Vox mit ihrem Ehemann auftrat, outete sich zudem als virtuose Mouth Trumpet Spielerin und ließ das Publikum sprachlos vor Begeisterung.
Jake und Tim Smithies von den einzigartigen Dead Man’s Uke brachten Mundharmonikaspieler Mel Day mit nach Berlin, der perfekt zu ihrem typischen Dirty Swing Dum Ching-Sound passt und ganz nebenbei offenbarte, dass auch die Mundharmonika ein deutlich unterschätztes Instrument ist.
Kaiser‘s Ukulelen Kombo aus Graz lieferten wie immer eine charmant humorvolle Show, mit viel österreichischem Witz, cleveren Texten und ein paar heiß geliebten Klassikern. Ihr Home Turf – und eigenes Projekt – ist das wundervolle Grazer Ukulele Festival, doch egal wo sie auftreten, sie gewinnen die Herzen aller für sich mit ihrem authentischen Humor und viel Charme.
Das heißeste Ukulele-Duo Deutschlands – The Ukuleleaves
Zum ersten Mal auf der großen Bühne standen die Ukuleleaves – Larissa und Andi spielen sonst mit großer Begeisterung auf Straßenfesten überall in Europa und sind das vermutlich heißeste Ukulele Duo, das Deutschland in petto hat. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht – neben Studium und Job und mit nur einem Probentag pro Monat – den Menschen zu zeigen, was in der kleinen Ukulele so alles drin steckt. Dabei verbinden sie den Aloha-Spirit des Instruments mit mal zarten, mal feurigen Klängen und legen nicht umsonst international einen raketenhaften Aufstieg hin, was sich beim Festival auch in der Anwesenheit vieler junger Fans zeigte. Überhaupt war das Festival von viel junger Energie geprägt. Spontane Überraschungsgäste waren Bernadette aka Plazi aus den USA (die mit Bernadette Teaches Music auf Youtube zu den reichweitenstärksten Kanälen der Szene gehört), Vasko von Ukulelecheats aus Bulgarien und Dani Usero aus Spanien, drei beliebte Stars der Szene, die vor allem Online – Bernadette und Vasko durch ihre Tutorials und Dani nicht zuletzt durch seinen temperamentvollen Stil zu spielen – in einer jungen Zielgruppe massive Aufmerksamkeit erhalten. Sie bringen frischen Wind in eine Szene der sonst nachgesagt wird, eher beschaulich zu sein. Weit gefehlt – wie das Festival eindrücklich bewies.
Die liebenswerten Grundpfeiler der Community – die MoMas
Ein Grundpfeiler der Community und jedes Ukulele Events sind ganz sicher die MoMas, Monika und Marion von Musicadanza, die für jede Panne, jede ungeplante Pause, jeden Moment, den es zu überbrücken gilt, als Wunderwaffe herhalten. „Sind die MoMas im Raum?!“ schallt es dann durch den Saal und eh man sich versieht, springen die beiden enthusiastischen Ladies auf die Bühne und stimmen ein Lied zum Mitsingen und Mitstrummen an.
So viele Künstler, Experten und passionierte Ukulele-Fans stehen an diesen zwei Tagen auf der Bühne, geben Workshops, jammen in den Pausen im Salon oder beim Market Place, rocken abends das Café Olé auf dem ufaFabrik-Gelände – ihnen würdig Tribut zu zollen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen doch jeder einzelne trägt dazu bei, dieses Festival besonders zu machen. Und ohnehin, man muss das Festival live erlebt haben, um diese überbordende Energie und die unglaubliche Vielseitigkeit der Ukulele wirklich zu begreifen.
Warum braucht Berlin ein Ukulele Festival?
Sabina Saracevic, die treibende Kraft hinter dem Festival, arbeitet mit einer Riege engagierter Unterstützer unermüdlich daran, immer neue Ideen umzusetzen und den Fans der Ukulele ein großartiges Festival zu bereiten. Angesprochen auf das Motto des 4. Berliner Ukulele Festivals „One Love: Let’s get togther and feel alright“ sagt sie: „Für mich ist es ganz klar, eine Liebe – one love – die uns verbindet, die Liebe zur Ukulele. Gerade in Zeiten, wo scheinbar tiefe Risse durch die Gesellschaft gehen, lasst uns dahin schauen, was uns als Gemeinschaft verbindet. Lasst uns zusammenkommen und Spaß miteinander haben. Wir sind eine Community und gemeinsam können wir dazu beitragen, dass wir alle uns gut fühlen, dass wir uns als Gemeinschaft verstehen. Wenn man zusammen Spaß hat, ist viel mehr möglich.“
Eine eigene Bühne für Hawaii
Zum ersten Mal gab es in diesem Jahr übrigens eine eigene Hawaii Stage, um der Kultur, dem Aloha Spirit, der Musik, dem Tanz und den Menschen der paradiesischen Inseln eine Bühne zu bieten. Zahlreiche Hula-Künstler und -Gruppen aus Deutschland und Österreich waren angereist, es wurde Ukulele gespielt, Leis (der traditionelle Schmuck der Hawaiianer) geflochten und in Talks und Kanikapilas (Jam Sessions im Stil der Inseln) von Hawaii geschwärmt und miteinander musiziert.
Angela Gobelin, Musikredakteurin und Moderatorin beim Norddeutschen Rundfunk und selbst über beide Ohren verliebt in Hawaii führte durch Playshops und Konzert, teilte Insights und Geheimtipps. Die Hawaii Stage ist eine großartige Ergänzung zum Festival und findet hoffentlich im kommenden Jahr ebenfalls eine Wiederholung, wenn das fünfte Berliner Ukulele Festival die Fans in die Hauptstadt lockt.
Wer bis dahin nicht warten kann, dem sei an dieser Stelle noch die RUhrkulele empfohlen, die Ende November das kleine Städtchen Essen-Werden ordentlich aufmischen wird.
Und wer sich fragt, warum Hawaii so viel Begeisterung und Sehnsucht weckt, dem sei unsere früherer Beitrag hierzu empfohlen.
Anmerkung: Seht uns die mäßige Qualität der Videos nach, sie sind bei schwierigen Lichtbedingungen mit dem Smartphone entstanden, vermitteln euch aber zumindest einen Eindruck vom Festival! Aloha!